Didaktik der Musik, Gefunden im Internet

Den inneren Musiker befreien – mit Hookpad Musik erfinden

23. Oktober 2020

Wer kennt noch Band-in-a-Box. Auf die Schnelle ein Playback im Country-Stil erstellen war damit kein Problem. Hookpad bietet Ähnliches in einer Online-Version und kann ziemlich viel. Taugt es für die Schule?

Gestartet wird mit der Eingabe von Stufen I – vi – IV – V mit den Zahlen 1645. Dann den Loop-Knopf drücken und Play. Eine einfache Balladenbegleitung ertönt. Damit es nicht gar so banal ist, fügen wir noch eine Sept zur vi-Stufe hinzu und Starten die V-Stufe mit einem Quart-Vorhalt. Ein Wechsel auf die Tonart As-Dur und die Reduktion von BPM auf 98 rundet die ganze Sache ab.

So sieht der kleine Versuch inHookpad aus.

Nächster Schritt: eine Band muss her. Mit dem Band-Button erscheint unten eine Leiste mit Einstellmöglichkeiten. Drum anstellen, auf Pop Ballad wechseln, Bass auf Pop-Bass 1/2 Beat ändern und Piano auf Electric Piano 1/8s.

Nun zur Melodie: wiederum mit den Zahlen probiere ich eine Melodie zu erfinden. Ich nehme die Zahlen 1,2, 5+6. Nach ein paar Fehlversuchen nehme ich die Melodie auf. Hier das Resultat:

Potential

Der spielerische Umgang mit Akkorden und Melodien ist einfach und führt sofort zu tollen Resultaten. Aber:

  • Ohne Login bleibt es eine Momentaufnahme, da nichts gespeichert werden kann.
  • Mit Login kann wenigstens Melodie und Harmonik gespeichert werden.
  • Erst mit der bezahlten Version sind alle Funktionen freigeschaltet.
  • Für die Schule kann das volle Potential mit Hooktheory Classroom herausgeholt werden.

Trotz der Abstriche durch die Kostenpflichtigkeit sehe ich ein grosses Potential, weil praktische und theoretische, sowie kreative Momente entstehen können, auch ohne bezahlte Lösung.

Zugang zur Stufentheorie

Bereits im Lehrplan 21 sollen die Hauptstufen angewendet werden. Spätestens im Gymnasium ist das Verständnis vom Zusammenspiel von Stufen, bzw. Funktionen ein wichtiges Mittel, um das Verstehen von Musik zu ermöglichen und aktiv zu musizieren. Später werden Dreiklänge zu Vierklängen oder die Terz wird suspendiert, um mehr Spannung zu erzeugen. All dies kann ohne «Handwerk» mit Hookpad schnell ausprobiert und verklanglicht werden. Ohne den haptischen Zugang über das Klavier oder andere Instrumente klein zu reden, ergibt sich mit der Webanwendung die Möglichkeit, allen Instrumentalisten einen einfachen und schnellen Zugang zu Übungsmöglichkeiten und Hörerlebnissen in Musiktheorie zu verhelfen.

Startpunkt für Songwriting

Für einige startet Songwriting bei 4-Chord-Songs. I – V – vi – IV ist eine sehr beliebte Progression. Das Video von The Axis of Awesome mit einem ganzen Bandwurm an Songs ging vor Jahren um die Welt und wurde mehr als 40’000’000 mal geklickt. In zwei Sekunden kann in Hookpad mit dieser Progression gestartet werden: 1564. Gefällt sie, kann eine Melodie entwickelt werden, oder die Akkorde werden doch noch einmal umgestellt. Wenn die Inspiration fehlt, hilft eine Recherche in der Songdatenbank weiter. Unzählige Songs können in einer Hookpad-Version, synchron zu Youtube oder mit einer Piano-Version gehört werden. Die visuelle Umsetzung gibt dann neue Impulse.

Kreative Momente beim Suchen von Melodien

Mir gefällt besonders die einfache Art, wie Melodien erzeugt werden können. Das Ausprobieren mit selbst gegebenen Regeln, wie oben beschrieben, oder die Möglichkeit, nur die «sinnvollen» Töne zu visualisieren sind ein guter Startpunkt für das Finden von gut klingenden Melodien. So könnte ein Aufgabe im Klassenzimmer lauten, dass nur mit den Tönen 1, 4 und 5 eine Melodie gebaut werden soll, rhythmisch frei, aber immer passend zu der Akkord-Progression I – I – V – IV.

Didaktisches Potential

Hookpad bietet viele Möglichkeiten, um Musiktheorie spielerisch zu lernen. Am Beispiel von Gehörbildung und Melodiegestaltung soll an dieser Stelle das Potential für eine Individualisierung im Unterricht herausgearbeitet werden:

  • Stellen wir uns vor, in einem Gymnasium sollen die Hauptstufen geübt werden. Mit Hookpad ergibt sich die Möglichkeit, dass Schülerinnen und Schüler verschiedene Abfolgen trainieren können, ohne zusätzlich mit dem Spielen eines Instrumentes belastet zu sein. Dabei kann auch die Instrumentation variert werden. Nach einer Trainingsphase in Einzelarbeit werden in einer Partnerarbeit gegenseitig Höraufgaben gestellt. Wer die Aufgabe auf Anhieb lösen kann, stellt die nächste Aufgabe. Dies ist der Start in eine kooperative Lernform.
  • Als zweites Beispiel könnte ein kurzes Motiv vorgegeben werden, an welchem im Anschluss das Prinzip der motivischen Arbeit angewandt wird. Durch die Visualisierung und die Möglichkeit, sofort Resultate zu hören, werden Sequenzen, Spiegelungen, etc sichtbar. Die Verbindung von Sehen und Hören schafft einen weiteren Trainingseffekt. Zusätzlich ist der Aufwand, den Umgang mit Hookpad zu lernen, merklich einfacher als das Erlernen einer Notationssoftware, wie z. B. Musescore.

Mit diesen zwei Beispielen ist das Potential noch lange nicht ausgeschöpft. Weitere Beispiele im Bereich improvisieren, Songs lernen, etc. lassen sich einfach konstruieren. Insgesamt erachte ich Hookpad als wirksames Tool für verschiedene Bereiche des Musiklernens.

Gabriel Imthurn

Leiter der Professur für Musikpädagogik im Jugendalter (PH FHNW)

Adresse:

Bahnhofstrasse 6
5210 Windisch

Schlagworte: Songwriting, Theorie

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